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Corona und der kommende Herbst

Aktualisiert: 12. Sept. 2020

Die Corona-Krise ist in der deutschen Wirtschaft angekommen und hat bereits zu zahlreichen Insolvenzen, höherer Arbeitslosigkeit, einer deutlichen Verringerung des Bruttoinlandprodukts geführt und es ist ungewiss, welche Entwicklungen uns noch bevorstehen.




Besonders tragisch an der aktuellen Situation ist es, dass unsere Wirtschaft gleichzeitig einerseits von der Angebots- und andererseits von der Nachfrageseite getroffen wird: Firmen produzieren weniger und gleichzeitig wird weniger gekauft. Es hört sich so an, als würden die beiden Effekte im Einklang stehen, dem ist jedoch nicht so.

Wir erleben derzeit, dass kleine Restaurants „um die Ecke“ aber auch multinationale Großkonzerne in ernste Schwierigkeiten geraten und sogar Insolvenz anmelden müssen. Diesen negativen Auswirkungen auf unsere Wirtschaft stehen die Eingriffe des Staates gegenüber. Durch massive Maßnahmenpakete wird die Wirtschaft stimuliert, mit dem Versuch sie wiederzubeleben.

Die gefürchtete massive Unternehmens-Insolvenzwelle ist aber bisher nicht eingetreten; vielleicht deshalb, weil die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen quasi für ein halbes Jahr ausgesetzt wurde. Vermutlich wurde diese Welle dadurch bedingt in den Herbst verschoben. Die Aussetzung dieser Meldungspflicht ist aber ein Risiko für die Geschäftspartner der kränkelnden Unternehmen. So ist es möglich, dass ein Lieferant seinem (bereits kränkelndem) Abnehmer weiterhin Ware auf Rechnung liefert, ohne zu wissen, dass dieser Zahlungsschwierigkeiten hat; daraus können weitere Insolvenzen entstehen.

Auch bei den Privatinsolvenzen kann eine deutliche Zunahme in den nächsten Monaten erwartet werden, da private Haushalte durch Kurzarbeit und ggf. Arbeitslosigkeit in eine schwierige Situation gebracht werden, die vielleicht kurzfristig, aber nicht auf Dauer durchgehalten werden kann. Wer wegen der Corona-Krise in solche finanziellen Schwierigkeiten geraten war, durfte seit dem 1. April Zahlungen für Miete oder Kredite oder auch Abschläge auf Strom, Wasser, Gas und Telefon für drei Monate lang stunden; diese drei Monate sind jedoch nun vorbei und müssen nun nachgezahlt werden.

Die vielleicht bevorstehende Insolvenzwelle der Unternehmen und privaten Haushalte könnte auch die Banken durch außergewöhnliche starke Verluste in ihren Kreditportfolios treffen. In diesem Fall kann man nur hoffen, dass die Banken stark genug sind, diese Probleme zu überstehen, denn die Gefahren für eine Volkswirtschaft steigen exponentiell an, wenn Banken zusätzlich in die Krise geraten. Die letzten Dekaden haben uns gezeigt, dass Banken-Krisen zu schlimmen Szenarien führen können.

Die Zusammenhänge sind komplex; vereinfacht gesagt ist es so, dass Verluste das Eigenkapital vermindern. Banken sind aber verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Aktiva mit Eigenkapital zu finanzieren und wenn diese Forderung des Regulators nicht oder kaum noch erfüllt werden kann, ist es für eine betroffene Bank kaum denkbar, neue Kredite zu vergeben, wodurch weitere Probleme auf Unternehmen zukommen, da sie auf das Kapital von Banken angewiesen sind.

Sicherlich wird sich unsere Wirtschaft wieder erholen, doch wir müssen uns vor Augen halten, dass uns die aktuelle Situation und deren Bewältigungsmaßnahmen fragiler machen. Denn: was ist nach Corona? Die Krisen der jüngsten Vergangenheit (Finanzkrise, Schuldenkrise und nun auch die Corona-Krise) haben dazu geführt, dass unsere Bekämpfungsmaßnahmen vielleicht am Limit sind. Die EZB-Leitzinsen sind weiterhin auf Rekordtief und die Bilanz der EZB durch den massiven Ankauf von Länder- und Unternehmensanleihen auf über 450 Milliarden angewachsen; das ist mehr als eine Vervierfachung seit 2005. Die Staaten haben und werden ihre Schulden weiter erhöhen, alleine Deutschland plant dieses Jahr fast 220 Milliarden Euro neue Schulden. Wie hoch das Bazooka-Maßnahmenpaket der Bundesregierung tatsächlich sein wird, ist dabei noch offen. Zusätzlich hat die EU für den geplanten Wiederaufbaufonds gerade erste Zuschüsse in Höhe von 390 Milliarden beschlossen.

Diese Milliardenbeträge kann man sich der Höhe nach kaum vorstellen. Versuchen wir es also mit einem Beispiel und stellen uns vor, wir würden eine Stadt nur aus Einfamilienhäusern bauen und jedes Vier-Personen-Haus würde 500.000 Euro kosten. Dann wären diese 390 Milliarden Euro des vorgenannten Wiederaufbaufonds der EU ausreichend für 780.000 dieser Häuser und damit für 3,12 Millionen Menschen. Dies entspricht der Größe einer Stadt wie Berlin.

Die Corona-Krise zeigt uns auch, dass nur wenige Unternehmen auf Krisen vorbereitet sind; besonders kleine und mittelständische Unternehmen hatten dem Problem wenig entgegenzusetzen. Dabei existiert schon seit langem ein Handbuch der Bundesregierung zur Pandemieplanung für Unternehmen. Dieses Handbuch enthält nützliche Hinweise und vor allem Checklisten für den Krisenfall.

Viele Unternehmen erfüllen nicht einmal die gesetzlichen Anforderungen zum Thema Risikomanagement, dabei wurde mit dem KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) als Reaktion auf die zahlreichen Unternehmenszusammenbrüche klar festgelegt, dass vor allem für Aktiengesellschaften ein Risiko-Überwachungssystem eingerichtet werden muss. Der Vorstand sieht sich in Krisensituationen sonst schnell mit zivil- und strafrechtlichen Tatbeständen und der Haftung mit dem Privatvermögen konfrontiert. Mit Risiken sind damit nicht nur gravierende Krisen wie die Corona-Krise gemeint, sondern alle Ereignisse, die das Unternehmen gefährden können, wie zum Beispiel Veränderungen der Rohstoffpreise, der Zinsen für Kredite, stärkere Konkurrenz oder Imageschäden.

Ich sehe es so, dass es äußerst fahrlässig ist, auf ein angemessenes Risikomanagement zu verzichten; viele Unternehmen haben noch nicht verstanden, dass sie so ihren langfristigen Erfolg zum Glücksspiel machen. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer ein Risikomanagementsystem aufbauen muss. In der Praxis hingegen sehe ich, dass Gefahren übersehen und nicht strukturiert erfasst werden. Häufig liegt der Fokus zudem auf den falschen Risiken und man fühlt sich sicher, da man sich mit Versicherungen eingedeckt hat. Besonders gefährliche Schäden kommen dann wie aus dem „Nichts“ und vernichten in kürzester Zeit das Unternehmen, ohne die Zeit einlenken zu können.

Zudem hat uns die Verhaltensökonomik gezeigt, dass wir Menschen äußerst schlecht in der Einschätzung von Risiken sind: die meisten Menschen haben keine 20-jährige Statistik Ausbildung und verlassen sich daher auf Ihr Bauchgefühl. Es ist so nicht möglich, die wirklich gefährlichen Bedrohungen, wie zum Beispiel den gleichzeitigen Eintritt mehrerer kleinerer Risiken oder das Auftreten von seltenen Katastrophen zu erkennen.

In „guten Zeiten“ sehen Manager keinen Grund für die systematische Betrachtung von Risiken und in „schlechten Zeiten“ hat man vermeintlich Wichtigeres zu tun. Dass Risikomanagement jedoch Geld, Ressourcen und Zeit sparen und Gewinne einbringen soll und das Unternehmen gleichzeitig schützt, ist vor allem im deutschen Mittelstand leider nicht umfassend angekommen.

Wenn die Corona-Krise nun einen Umdenkungsprozess und eine Sensibilisierung für das Thema Risiko-Management bewirkt, könnte man einen positiven Aspekt erkennen. Dadurch könnten Unternehmen, vor allem mittelständische- und Kleinunternehmen, in der Zukunft krisenresistenter gemacht werden.

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