Für Start-ups mit einer brillanten Idee gilt eine sehr einfache Regel: nicht auf der Strecke sterben. Das klingt wie eine klischeehafte Binsenweisheit. Aber dennoch: vielen Quellen zufolge scheitern mehr als 90 % der Start-ups innerhalb von fünf Jahren. Der Weg zum Erfolg ist quasi von Beginn an der bittere Kampf gegen den Sensenmann.
Viele Start-ups träumen davon, den Status eines Unicorns (zu deutsch: Einhorn) zu bekommen. Das sind solche, die einen Wert von einer Milliarde US-Dollar erreicht haben und diese sind, genau wie die Fabelwesen, äußerst selten.
Nun gut, wie schafft man es als Gründer, statt einem Fuck-Up-Diary ein Success-Journal anzufertigen? Dafür sind viele Faktoren verantwortlich: von der originären Geschäftsidee über die Finanzierung bis hin zum Personal und natürlich einer ordentlichen Portion Glück.
Wenn wir von Glück reden, meinen wir damit, dass sich die Unvorhersehbarkeiten der Zukunft für uns günstig entwickeln. Das Gegenteil nennen wir Pech. Der bekannte Autor Prof. Dr. Nassim Taleb beschreibt in seinem Buch "Narren des Zufalls" sehr anschaulich, wie stark die Rolle von Glück & Pech unseren Erfolg bestimmt; sehr viel stärker als wir denken, denn der Zufall hat immer das letzte Wort.
Übrigens: Die Wissenschaft, die sich mit den Unvorhersehbarkeiten der Zukunft bzw. von Glück & Pech beschäftigt, nennt sich im BWL-Kontext Risikomanagement. Auch junge Unternehmen tun gut daran, sich mit Risikomanagement zu beschäftigen; die alarmierende Misserfolgsquote von Start-Ups lässt sich nämlich auch durch den meist mangelhaften Umgang mit Risiken erklären.
Denn: Für erfolgreiche Start-ups kommt der Erfolg nicht von ungefähr. Sie verstehen, dass es grundlegende Konzepte gibt, die jedes Unternehmen erfüllen muss. Aus der Risikoperspektive gehört dazu bspw. eine Liquiditätsplanung und der angemessene Umgang mit Risiken.
Aber: Die brillanten Ideen kommen häufig von Chemikern, Physikern, Ingenieuren und sonstigen BWL-fremden Fachrichtungen oder von Personen direkt im oder nach dem Studium. Sie haben entweder keinen geschulten BWL-Background oder kaum Erfahrung im Umgang mit Risiken. Das ist nicht abwertend gemeint; jeder hat seine Qualitäten. Zudem sorgt die Euphorie häufig dafür, dass die Augen vor den Gefahren der Zukunft verschlossen werden.
Der Tod eines Start-ups ist typischerweise nicht im Fokus der Allgemeinheit, denn die potenziellen Einhörner sterben nicht laut und heldenhaft. Im Gegensatz zu normalen Pferden sterben diese nicht vor den Augen der Herde, sondern verkriechen sich irgendwo und werden nie mehr gesehen. Dabei gibt es vor allem drei Arten zu unterscheiden: Liquidity Death, Sudden Death und Creeping Death, die ich im Folgenden sehr kurz anreißen möchte.
Liquidity Death: Vielen Start-ups geht schlichtweg das Geld aus und das wird häufig nicht gesehen, denn es fehlt eine Liquiditätsplanung und es wurde keine Cash-Burn-Rate berechnet. Diese sagt aus, wie viel Geld ein Unternehmen im Monat ausgibt und damit kann einfach berechnet werden, wann dem Start-Up die Puste ausgeht. Das sollte nicht passieren, bevor man positive Cash-Flows erwirtschaftet.
Sudden Death: Die Zukunft ist kein Ponyhof; es wird mit großer Wahrscheinlichkeit die ein oder andere Katastrophe eintreten, auf die man sich vorbereiten sollte: Was wenn ein Investor aussteigt, die Konkurrenz die Idee kopiert oder ein Schlüsselmitarbeiter kündigt? Der Fachbegriff dafür nennt sich "Risikosteuerung" und umfasst Maßnahmen, mit denen man solchen Risiken begegnen kann.
Creeping Death: Bei so manchen (vor allem sehr jungen) Unternehmen geht den Gründern die Lust verloren; sie sind demoralisiert. Die ursprünglichen Euphorie lässt nach und der Fokus verschiebt sich. Man konzentriert sich nicht mehr so stark auf das "Fohlen", sondern lässt es nebenher laufen. Diese Todesart trifft häufig auf solche Unternehmen zu, deren Gründer am Anfang Sätze wie "Ich werde sehr schnell reich" oder "Ich brauche keinen Business-Plan" sagen (ein extrem guter Prädiktor für den bevorstehenden Tod).
Start-Ups können ihre Erfolgswahrscheinlichkeit durch grundlegende Konzepte des Risikomanagements erhöhen und dem Tod so "von der Schippe springen". Ich möchte auch jungen Unternehmen helfen, die Risikolandschaft ihres Unternehmens zu verstehen. Daher möchte ich ein paar einfache Tipps geben, die helfen sollen die bevorstehenden Bedrohungen zu erforschen.
1. Identifizieren Sie die Risiken: Erstellen Sie eine Excel-Liste der Risiken, denen Ihr Geschäftsmodell ausgesetzt ist. Das könnte z.B. der Ausfall eines Großkunden sein, ein Produktionsfehler, ein Ausfall der IT oder ein Gesellschafteraustritt. Schnell hat man dabei mehrere Dutzend solcher Risiken identifiziert. Dieser Vorgang nennt sich Risikoinventur und geschieht typischerweise über Brainstorming, ggf. kombiniert mit Checklisten und Fragenkatalogen und durch die Einbindung von Experten. Beachten Sie auch, dass sich Risiken im Laufe der Zeit ändern; die Risikoinventur ist ein laufender Prozess.
2. Bewerten Sie die Risiken: Sie können sich nicht auf alle Risiken konzentrieren, filtern Sie daher die wesentlichen heraus. Dafür müssen Sie für jedes Risiko einschätzen, a) mit welcher Wahrscheinlichkeit es eintritt und b) wie hoch der Schaden ist. Zeichnen Sie die Risiken nun in ein Diagramm, wobei auf der Y-Achse die Wahrscheinlichkeit und auf der X-Achse der Schaden abgetragen ist. Die Risiken, die eher rechts oben liegen, sind für Sie besonders gefährlich. Dieses Diagramm nennt sich Risikomatrix. Ein Tipp am Rande: beachten Sie auch die Risiken, die rechts unten liegen. Diese "low probability, high Impact Events" treten zwar nur mit geringer Wahrscheinlichkeit auf, sind aber schnell vernichtend.
3. Steuern Sie die Risiken: Die vorherigen Schritte haben Sie vor allem deshalb angefertigt, weil Sie die Gefährlichkeit mancher Risiken ggf. verändern wollen. So könnten Sie bspw. manche Aktivitäten gänzlich unterlassen (Risikovermeidung), oder sich auf die Risiken durch Notfallpläne vorbereiten (Risikominderung). Auch denkbar ist der Abschluss einer Versicherung (Risikotransfer) oder ggf. Eigenkapital als Puffer zu verwenden (Risikovorsorge).
Weitere Möglichkeiten zum Verständnis der Risikolandschaft sind sogenannte Pre-Mortem Analysen (die sogar Spaß machen können), Szenario-Analysen oder auch vorgefertigte Fragenkataloge, die zum Nachdenken anregen sollen. Eine Vorlage für diese Analysen (und weitere) habe ich angefertigt und kann über diesen Link bezogen werden: KrisenTool.
Es würde hier den Rahmen sprengen, noch weitere Tipps für den Umgang mit Risiken zu betrachten. Zwei Weisheiten möchte ich aber noch zum Besten geben: Risikomanagement bedeutet nicht vorrangig, sich mit mathematischen Modellen zu beschäftigen, es ist meines Erachtens vielmehr eine Denkweise. Zudem beachten Sie auch immer, dass ein Risiko an sich vielleicht nur eine kleine Welle in Ihrem Unternehmen schlagen würde; der gemeinsame Eintritt von mehreren Risiken kann allerdings wie ein Tsunami wirken.
Zum Schluss: Die heutige Welt ist sehr schnelllebig und hart. Unternehmen können in dieser rauen Welt nur dann überleben, wenn sie es schaffen, sich vor den drohenden (noch unbekannten) Gefahren zu schützen. Leider versäumen es immer noch viele Unternehmen, von dem Erfolgsfaktor "Risikomanagement" Gebrauch zu machen. Das wird sich zeitnah ändern, da der Gesetzgeber zum 01.01.2021 den § 1 StaRUG erlassen hat und demnach alle Kapitalgesellschaften zur Krisenfrüherkennung verpflichtet sind (#Geschäftsführerhaftung).
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